Vereinbarkeit, Gelassenheit und Ausgeglichenheit im Familienalltag ist mein Thema. Ein Thema, das ich mir nicht ausgesucht habe, sondern ein Thema, das sich mich ausgesucht hat. Dieses Thema hat mich nicht überfallen, sondern es hat sich langsam und bedächtig in mein Leben geschlichen. Fast kam es durch die Hintertür herein. Das hat auch mit meiner Geschichte als Mutter zu tun.

Dieser Blogartikel ist sicher derjenige, der für mich am emotional schwersten ist. Noch nie hatte ich innerlich so viele Barrieren zu überwinden. Denn heute lasse ich dich wirklich sehr genau in mein Leben schauen.

An den eigenen Erwartungen und den Ängsten der anderen scheitern

An den eigenen Erwartungen und den Ängsten der anderen scheitern

Kaum ein Lebensabschnitt im Frauenleben ist mit so vielen Erwartungen und Missverständnissen verbunden wie Mutterschaft. Kaum ein Lebensabschnitt ruft so widersprüchliche Gefühle hervor. An den eigenen Erwartungen scheitern wurde beinahe auch mein Weg. Aber aus dieser unangenehmen Erfahrung entstand etwas Wunderbares. Ich fand das Thema, für das ich brenne und lebe: Verinbarkeit, Gelassenheit und Ausgeglichenheit im Familienalltag.

Meine Geschichte

Das Leben ist planbar …

Ich wollte immer schon Kinder. Schon als ich selbst noch ein Kind war, konnte ich mir ein zukünftiges Leben ohne eigene Kinder nicht vorstellen. Gleichzeitig wollten mein Mann und ich unseren Kindern einen guten Start ins Leben ermöglichen. Unsere Kinder waren also nicht nur Wunschkinder, sie waren auch geplant.

Wir wollten zuerst unser Haus renovieren und beruflich stabil sein. Somit habe ich meinen Kinderwunsch jahrelang kontrolliert. Ich habe die Vernunft über das Herz siegen lassen.

… Kinder nicht

Als ich dann endlich meine letzte erforderliche Prüfung abgelegt hatte … da ließ unser Wunschkind auf sich warten. Nicht lange – Gott bewahre – viele Frauen wären froh, wenn sie nur 4 Monate Wartezeit in Kauf nehmen müssten, bevor sie schwanger werden. Aber in meinen perfekt durch organisierten, geplanten Leben, war das die erste Situation, die ich nicht beeinflussen konnte. Ich konnte nur warten. Und warten musste ich auch dann, als ich mir schon vollkommen sicher war, dass ich schwanger war.

Meine Frauenärztin war auf Urlaub und der vertretende Arzt erklärte mir, dass zwar der Test positiv sei, er mir aber keinen Mutter-Kind-Pass ausstellen könne, weil er am Ultraschall noch nichts sehen könne. Obwohl nach dem errechneten Empfängnistermin und dem Hormonspiegel schon längst etwas zu sehen hätte sein müssen. Autsch! Er legte mir in mehr oder minder sensiblen Worten dar, dass ich auf Schmerzen im Bauch achten solle und dass das ein Alarmsignal sei, sofort ins Spital zu fahren. Er vermutete eine Eileiterschwangerschaft.

Ich selbst hatte das Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Meine Worte waren: „Ich glaube, dieses Kind will mir Geduld beibringen.“ Damals wusste ich noch nicht, wie prophetisch diese Worte waren.

Nach zweimaliger Kontrolle innerhalb von 2 Wochen, war dieser kleine pulsierende Punkt dann endlich am Ultraschall zu sehen! Juhuu!

Mittlerweile war auch meine eigene Frauenärztin wieder da. Alles schien in schönster Ordnung.

Ich war müde, musste pausenlos auf die Toilette … wie das halt in den ersten Monaten der Schwangerschaft so ist. Bis ich auf einmal – ungefähr um die 12. Woche herum – Blutungen bekam.

Zwischenfälle in der Schwangerschaft

Nichts wie ab ins Krankenhaus. Dort wurde ich gründlich untersucht. Mit dem Baby war alles in Ordnung und ich wurde vorsichtshalber für einige Tage krank geschrieben. Nachdem meine Mutter zwischen mir und meinem Bruder ein Kind verloren hatte, riss das allerdings in der gesamten Familie alte Wunden auf. Ich sah mich plötzlich nicht nur mit meinen eigenen Ängsten, sondern auch mit den Erfahrungen meiner Eltern konfrontiert.

Meine Gynäkologin verbat mir von einem Tag auf den anderen meinen geliebten Sport.

Langsam vergaß ich auf mein Gefühl zu hören

Dabei ging es mir nach ein paar Tagen wieder hervorragend und ich hatte das Gefühl Bäume ausreißen zu können.
Da das aber meine erste Schwangerschaft war, hörte ich nicht auf mein Gefühl, sondern auf die Meinung der Fachleute. Die Folge davon war, dass ich während meiner Schwangerschaft 20 kg zunahm. Ich hatte zuvor ca. 9 – 12 Stunden pro Woche Sport betrieben und dann von einem Tag auf den anderen meine Bewegung eingestellt. Eine Woche bin ich fast nur herumgelegen und dann war ich sehr sparsam unterwegs. Spazieren gehen war das höchste der Gefühle.

Wissen allein ist nicht genug

Zum Glück machte ich meinen Geburtsvorbereitungskurs bei einer sehr erfahrenen Hebamme, die auch Hausgeburten macht. Dort erfuhr ich dann auch, dass viele Frauen um die 12 Woche Blutungen haben, und das nicht allzu bedenklich sei. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber schon in der 31. Woche. Aufgrund meiner doch sehr straffen Bauchmuskulatur hatte ich schon sehr früh Senkwehen, was wieder zu einer Warnung meiner Frauenärztin führte, es nicht zu übertreiben und es ruhig anzugehen.

Und wieder ließ ich mich in meinem Bewegungsdrang bremsen.

Es ging mir hervorragend, ich fühlte mich zwar rund, aber ganz. In den letzten Wochen putzte und kochte ich, was das Zeug hält. Ich hatte einen richtigen Nesttrieb, den ich voll ausgelebt habe.

Rund um den errechneten Geburtstermin hatte ich wieder Wehen. Jedoch stellte es sich zwei Mal als Fehlalarm heraus.

Technik und Wissenschaft vor Gefühl

Bezüglich der Geburt fühlte ich mich wirklich gut vorbereitet. Ilona, die Hebamme hatte uns mit allen möglichen Ratschlägen, Übungen und Hausmittelchen versorgt. Ich trug das Bild einer idealen sanften Geburt mit mir herum. Für uns war klar: Wir wollen keine Hausgeburt, wir wollen ins Krankenhaus, denn falls etwas passiert, wollen wir abgesichert sein.

Und dann kam alles ganz anders!

22.12.1994 morgens setzen die Wehen ein. Ich war schon 10 Tage über dem errechneten Termin. Wir fuhren ins Spital. Dort wurde ich an den Wehenschreiber angehängt. Die Wehen waren vorhanden, die Herzschläge des Kindes gut. Der Muttermund hatte sich noch nicht weit genug geöffnet. Ich wurde also in ein Vorbereitungszimmer gelegt.

Mein Mann und ich hatten eine ganz nette Zeit und als ich das Gefühl hatte, die Wehen verstärken sich, bat ich ihn, eine Hebamme zu holen. Er kam zurück mit den Worten: „Du musst jetzt warten, die haben gerade 6 Geburten und haben keine Zeit.“

Und dann hat mein Körper übernommen. Er hat ganz einfach die Wehen eingestellt. Nichts, nada.

Als die Hebammen wieder Zeit hatten, ca. 2 Stunden später, stellten sie fest, dass auch auf dem Wehenschreiber keine Wehentätigkeit erkennbar war. Ich wollte nach Hause. Da ich aber schon über dem errechneten Termin war, wurde mir das nicht mehr gestattet. (Heute würde ich mich durchsetzen.)

Stattdessen schickte man mich Stiegen steigen, um die Wehen wieder in Gang zu bringen.

Seit diesem Tag kenne ich das örtliche Krankenhaus vom Keller bis in den 10 Stock! Stundenlang ging ich auf und ab. Ich kam mir vor, wie ein Kettenhund, der seine Kreise um den Stock zieht.

Um 20:00 Uhr abends war ich hundemüde. Genau in dem Moment, als ich zu meinem Mann sagte: „Fahr nach Hause, schlaf die Nacht und morgen packen wir es“ , setzten mit aller Wucht die Wehen wieder ein.

Geburt folgt den eigenen Gesetzen

Blöde Geschichte. Ich war müde, ich wollte schlafen. Mein Plan war, das ganze Vorhaben auf den nächsten Tag zu verschieben. Leider hielt unser Sohn nichts von dieser Idee.
Ich werde dich jetzt nicht mit Einzelheiten langweilen. Es war eine relativ normale Geburt. Alles ging glatt. Es fehlte mir nur an Energie und Kraft. Nicht nur für die Geburt selbst, sondern auch Kraft mich durchzusetzen und mir meine Gebärposition auszusuchen. Ich hatte das Gefühl an den eigenen Erwartungen und den Ängsten der anderen zu scheitern.

Am 23.12. um 01:43 kam unser Sohn zur Welt. Auch da setzte sich die Technik wieder durch. Er kam für 1 Stunde in den Brutkasten, obwohl er ganz gesund war. Diese Stunde war für mich endlos. Ich war totmüde, in meinem Hirn ratterten die Gedanken, ich fühlte mich leer. Dann endlich durfte ich ihn im Arm halten.

Erziehung zur Unruhe

Um 05.00 Uhr früh kam ich dann auf ein Zimmer. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon 48 Stunden nicht geschlafen. Es war ein 6 Bett Zimmer mit Rooming-in!
Ich freue mich darauf mein Kind im Zimmer zu haben und du kannst dir vorstellen, wie das mit 6 Kindern in so einem Zimmer ist. Neugeborene haben noch keinen festen Schlafrhythmus. Die Kinder haben sich gegenseitig aufgeweckt. An mehr als 1-2 Stunden Schlaf am Stück war nicht zu denken.

Ich habe die Verantwortung abgegben.

Ich wollte am nächsten Tag nur mehr nach Hause. Das wurde von ärztlicher Seite abgelehnt. Heute würde ich einen Revers unterschrieben und auf eigene Verantwortung nach Hause gehen. Damals war ich noch nicht so weit. Ich blieb und habe gelitten. Zu den Weihnachtsfeiertagen ging das Zimmer von Besuchen nur so über. Wir hatten keine ruhige Minute. Immer hatte einer der Mütter Besuch. Ich war erledigt, fix und fertig.

Die Nächte verbrachte ich mit meinem kleinen Schreihals am Gang und im Kinderzimmer, um die anderen Mütter und ihre Babys nicht zu stören. Unser Sohn, ein nachtgeborenes Kind machte die Nacht zum Tag. Am Tag wollte er schlafen, wurde aber immer wieder unterbrochen.

Unser Sohn nahm nicht genug zu. Am 3. Tag stand ich kurz vor einer Brustentzündung. Ein Grund mehr, um mich nicht nach Hause zu lassen. Das sollte sich als Glücksfall erweisen. Ich wurde angehalten Milch abzupumpen, damit das Gewebe entlastet wird.

Nachdem ich mit dem Pumpen fertig war, übergab ich der Schwester 200 ml Milch. Sie freute sich über die reiche Ausbeute und fragte, ob ich sie für die Neonatologie zur Verfügung stellen würde. Klar, da hatte ich nicht dagegen. Nach einer Zeit klagte ich über Schmerzen in der anderen Brust. Die Kinderschwester meinte, ich solle halt mein Kind anlegen. Der trank auch brav, bis er satt war. Ich hatte immer noch Schmerzen und meinte, ich wolle diese Brust auch leer pumpen. Erst da wurde der Schwester klar, dass die 200 ml von einer Seite gewesen waren. Somit war aber auch klar, dass unser Sohn sehr gut versorgt war. Über seine Gewichtszunahme wurde nicht mehr diskutiert.

Rückkehr zur Normalität

Am 27.12. durfte ich endlich das Spital verlassen. Bis dahin waren aber das Baby und ich so durcheinander und erschöpft, dass es uns lange Zeit gekostet hat unseren Rhythmus zu finden. Unser Sohn, der anfänglich wirklich leicht zu beruhigen war, entwickelte sich zu einem echten Schreibaby. Ich war am Ende meiner Kräfte, fühlte mich leer und kaum in der Lage meine Aufgabe zu erfüllen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon jeden Instinkt in mir abgetötet und war vollkommen verunsichert. Ich schaffte es nicht mehr auf mein Gefühl zu hören.

Vertrauen in den eigenen Instinkt

Mit meinem heutigen Wissen denke ich, dass ich damals eine unerkannte Wochenbettdepression hatte. Die ersten drei Monate waren wirklich hart. Durch die Unterstützung der Stillgruppe, der Hebamme und eines hervorragenden Arztes kamen das Baby und ich nach einer Zeit zur Ruhe.

Ich brauchte aber noch einige Zeit, bis ich lernte meinem Gefühl zu vertrauen und für mich und das Kind einzustehen. Ich lernte, dass mein Instinkt mehr zählt, als jede medizinische Meinung und dass ich als Mutter sehr genau abschätzen kann, was mein Kind braucht.

Ich lernte auch Verantwortung für mich zu übernehmen. Ich bin verantwortlich, ob es mir in einer Situation gut geht. Dazu gehört es aber auch Entscheidungen zu treffen, die für Außenstehende nicht erklärbar sind.

Diesem Gefühl habe ich mit einer anderen hervorragenden Hebamme bei der Geburt unseres zweiten Kindes nachgegeben, als ich mich in der letzten Phase der Geburt entschloss die Haltung zu Wechseln. Vom am Seil stehend zum Hocker. Die Hebamme hat es nicht gleich verstanden, war aber dann froh über den mütterlichen Instinkt, dem sie vertraute. Unser Baby hatte 4,5 kg. Sie konnte am Hocker sicher aufgefangen werden … am Seil … wer weiß.

Die Lernerfahrungen

  • Ich übernehme Verantwortung für mich und mein Kind.
  • Ich vertraue meinem Gefühl.
  • Ich gebe diesem Gefühl nach.
  • Ich sorge für unsere Ruhe.
  • Akzeptiere, was du nicht ändern kannst.

Gelassenheit und Ausgeglichenheit

Genau diese Erlebnisse waren es, die dafür sorgten, dass das Thema Gelassenheit und Ausgeglichenheit mein Lebensthema wurden, das ich mit Begeisterung an andere Familien weitergebe.

Ich habe erkannt, dass Gelassenheit und Ausgeglichenheit den Familienalltag leicht macht. Diese beiden Eigenschaften machen die Familie zum Kraftort für alle. Sie ermöglichen es, dass jeder zu seinem Recht kommt und dass die Bedürfnisse von allen Familienmitgliedern befriedigt werden. Denn die Familie ist ein System, in dem der Zustand eines Familienmitglieds alle anderen beeinflusst.

Bleib gesund und gelassen!

Deine Mütterversteherin

Ilse Maria

P.S.: Diesen Blogartiekl habe ich bereits 2016 geschrieben. Er entstand im Rahmen einer Blogparade. Den veranstaltenden Blog gibt es schon lange nicht mehr. Die Begeisterung für mein Herzensthema ist geblieben. Ich wollte dir diesen persönlichen Artikel nicht vorenthalten und habe ihn daher ein wenig umgestaltet und aufpoliert.

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