Stoppe das Gedankenkarussell

Lea sitzt im Wohnzimmer und grübelt: „Was hab ich bloß falsch gemacht?“ – Stoppe das Gedankenkarussel, Lea!

Leas Sohn Lukas ist heute mit einer Vorladung seiner Klassenlehrerin nach Hause gekommen. Lea soll zu einem Gespräch in die Schule kommen.
Lukas ist 12 Jahre alt und hat einen Schulkollegen im Streit verletzt. Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert. Trotzdem möchte die Klassenlehrerin mit Lea sprechen.

Natürlich hat Lea Lukas sofort zu dem Vorfall befragt: „Was hast du nur schon wieder angestellt?“, schüttelt sie den Kopf.
Lukas reagiert bockig: „Gar nichts.“
„Das gibt es nicht. Von `gar nichts´ bekommt dein Klassenkollege keine Beule. Komm schon, sag mir was passiert ist, damit ich morgen bei dem Gespräch nicht dumm da stehe.“
„Das ist dir wieder wichtig, dass du nicht dumm da stehst. Es ist dir ja ganz egal, was vorher passiert ist.“
„Das stimmt nicht,“ sagt Lea, „genau darum frage ich ja, dass ich deine Sicht der Dinge höre.“
„Peter hat mich gehänselt und als ich sagte er soll aufhören, hat er immer weitergemacht. Irgendwann hab ich dann nur mehr rot gesehen und hab ihn geschubst“, meint Lukas.
„Du weißt doch genau, dass du Konflikte nicht mit Gewalt lösen kannst“, sagt Lea.
„Du hast gut reden. Wenn ich dich so sekkieren würde, wie mich Peter, dann würdest du auch ausrasten“ mault Lukas und verabschiedet sich beleidigt in sein Kinderzimmer.

Lea bleibt ratlos im Wohnzimmer zurück. Sie kann sich das alles nicht erklären. Sie hat Lukas schon als Kleinkind beigebracht, dass man Konflikte nicht mit Gewalt löst, sondern sich hinsetzt und miteinander redet. Sie macht sich Vorwürfe, weil es ihr nicht gelingt, zu ihm durchzudringen und sie fühlt sich hilflos, weil sie spürt, wie schlecht es ihrem Kind geht. Eigentlich müsste sie jetzt stark sein und zu ihm gehen. Sie müsste ihn in den Arm nehmen und trösten. Doch das kann sie jetzt nicht. In ihr kommt eine entsetzliche Wut hoch, weil sie morgen in die Schule muss. Was ist nur mit ihr und Lukas los? Wo sind sie nur falsch abgebogen? Sie fühlt, dass sie das Vertrauen ihres Kindes verliert. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Sie werden schneller und schneller. In ihrem Kopf geht es zu wie auf einem Karussell.

Natürlich ist das nur eine fiktive Geschichte und doch habe ich immer wieder Mütter bei mir sitzen, die sich fragen: „Was habe ich bloß falsch gemacht? Wo bin ich nur falsch abgebogen?

Nachts liegen diese Mütter dann wach und die Gedanken fahren fröhlich Karussell. Sie spielen alle möglichen Szenarien durch, malen sich das Schlimmste aus und sehen ihre Kinder schon am Rande des Abgrunds. Sie finden keinen Schlaf und suchen die Schuld am vermeintlichen Versagen oder an den scheinbaren Fehlern ihrer Kinder bei sich.

Was tun? – Stoppe das Gedankenkarussell

Mach dir klar, dass jeder Mensch das Recht hat seine eigenen Fehler zu machen

Du kannst nicht alles beeinflussen, was dein Kind tut.
Gestehe deinem Kind Fehler zu. Bestimmte Erfahrungen muss dein Kind selbst machen und du kannst sie ihm nicht abnehmen. Ich weiß, manchmal ist es schwer zuzusehen. Vor allem dann, wenn du glaubst zu wissen, wie sich die Dinge entwickeln. Vor allem dann, wenn du ahnst, dass dein Kind auf die Nase fallen wird.

Auf die Nase fallen tut weh. Aber Erfahrungen, die dein Kind selbst macht, merkt es sich am besten.

Du kannst dein Kind nicht vor allem beschützen

Mach dir klar, dass du dein Kind nicht vor allem beschützen kannst. Jeder von uns macht unangenehme Erfahrungen und hat mit Personen zu tun, von denen er lieber Abstand halten würde.

Dein Kind hat einen Lehrer, der streng und schon beinahe boshaft agiert?
Hilf deinem Kind sich möglichst gut auf diese Stunden vorzubereiten. Wenn die Situation unerträglich wird, suche das Gespräch mit diesem Lehrer. Stärke dein Kind! Mach ihm aber auch klar, dass es im Leben nun Mal mit Personen konfrontiert sein wird, die es nicht unbedingt gut mit ihm meinen.

Das heißt jetzt nicht, dass sich dein Kind alles gefallen lassen soll. Der Umgang mit diesem Lehrer wird ihm jedoch auch helfen, Strategien zu entwickeln, um mit unangenehmen Zeitgenossen auszukommen.

Das beste Beispiel ist für mich ein Schüler, der von einer Montessori-Schule auf ein normales Gymnasium wechselte. Er tat sich schwer in unlinierten Heften ordentlich zu schreiben. Daher verwendete er stets linierte oder karierte Hefte, die auch in Ordnung waren.

Seine Biologie-Lehrerin bestand auf einem unlinierten Heft. Er meinte, dass er einsehe, dass er die Zeichnungen auf unliniertem Papier mache, aber schreiben würde er auf liniertem Papier.

Am Ende des Jahres stand er zwischen zwei Noten. Die Biologie-Lehrerin sagte ihm, dass sie ihm die bessere Note geben würde, wenn er ein unliniertes Heft hätte. Natürlich war das pure Schikane. Dieser Meinung waren auch seine Eltern.

Er setzte sich aber trotzdem hin und schrieb das Heft eines ganzen Jahres ab und führte ab diesem Zeitpunkt zwei Hefte. Eines für die Lehrerin (unliniert) und eines für sich selbst (liniert mit Zeichnungen auf unliniertem Papier). Auf die Frage seiner Eltern, warum er das mache, erklärte er: „Ich will ein `Sehr gut´ in Biologie und der Klügere gibt nach. Außerdem erspare ich mir auf diese Art das Lernen, weil ich ohnehin alles zwei Mal schreibe.“

Dieser Schüler war ganz und gar nicht gebrochen. Er gab scheinbar nach und führte für sich das Heft so, wie er es für richtig hielt. Dafür nahm er die doppelte Arbeit in Kauf.

Dein Kind muss gewisse Entwicklungsstufen durchlaufen

Oft wundern sich Mütter, warum ihre kleinen Söhne mit Bananen schießen, obwohl sie es doch strikt vermieden haben Kriegsspielzeug oder Spielzeugwaffen zu kaufen.

Keine Sorge, das vergeht wieder. Es ist ein Entwicklungsschritt, den kleine Jungen durchmachen. Im Alter von 5 – 7 Jahren erproben Jungs oft, wer der Stärkere ist und auch Mädchen bilden „Banden“. Dabei proben sie ihre Führungsfähigkeiten. Sie lernen auch mit Konflikten in Gruppen umzugehen und diese selbst in die Hand zu nehmen.

Wenn du deinem Kind ein gutes Vorbild bist, dann wird es bald zu einer ruhigen Verhandlungsweise – ohne schießende Bananen – finden.

So stoppst du das Karussell

Sorge dafür, dass es dir selbst gut geht

Erst wenn du gut für dich gesorgt hast, kannst du auch für andere sorgen. Beachte also das Ersthelferprinzip.

Atmen

Konzentriere dich auf deinen Atem. Zähle beim Ein- und Ausatmen mit, ohne deine Atemgeschwindigkeit zu beeinflussen. Du wirst merken, dass sich dein Atem verlangsamt. Ganz von allein.

Atmen ist etwas, was unser Körper von ganz alleine macht. Niemand braucht sich auf die Atmung zu konzentrieren. Genau darum ist es so entspannend, wenn du deiner Atmung deine Aufmerksamkeit widmest. Du lenkst deine Aufmerksamkeit auf etwas, was dich keine Aufmerksamkeit, keine Energie und keine Kraft kostet.

Denk an etwas Schönes

Denke an ein wirklich schönes Erlebnis zurück. Wichtig ist, dass es ein Erlebnis ist, mit dem du gute Gefühle verbindest. Hol dir genau diese Gefühle her.

Mein Sohn denkt in so einer Situation gerne an einen Urlaub am Strand. Er spürt die Sonne auf seiner Haut, und nimmt wahr, wie die leichte Meeresbrise seine Haut streichelt. Er kann den Sand durch seine Finger rieseln spüren und fühlt das Glücksgefühl das er hat, wenn er in den Wellen herumhüpft.

Höre deine Lieblingsmusik

Hast du ein Lieblingslied? Wenn du damit noch schöne Erinnerungen verbindest, dann ist das eine prima Möglichkeit, dich aus dem Gedankenkarussell zu holen.

Für mich ist „New York“ von Frank Sinatra eines dieser Lieder. Ich habe eine ganz intensive Erinnerung an einen Sommertag in den 80-er Jahren. Es war der Veldener Sommerkarneval und ich tanzte mit meinem Mann zu diesem Lied auf einer Terrasse mit Blick auf den Wörther See. Kaum war das Lied verklungen begann das Feuerwerk, das sich im See spiegelte. Ich brauche dieses Lied nur zu hören, schon bin ich wieder 20 Jahre alt …

Meditiere

Das hört sich banal an. Regelmäßiges Meditieren wird dich wirklich ruhig und gelassen machen. Es wird dir helfen, deine aufkommenden Gefühle von den Tatsachen zu unterscheiden.

Es gibt viele Formen der Meditation und du findest bestimmt die Richtige für dich.

Die einfachste Form der Meditation ist es, einmal für 60 Sekunden gar nichts zu tun. Damit deine Augen etwas zu tun haben, kannst du die Zeiger einer analogen Uhr beobachten. Nimm während dieser Zeit deine Gedanken und Gefühle wahr und lasse sie einfach weiterziehen. Wenn sich dein Verstand an einer der Informationen festbeißen will, dann bedanke dich bei ihm für seine Aufmerksamkeit und nimm den nächsten Gedanken wahr.

Körperwahrnehmung

Wenn es dir schwer fällt zu meditieren, weil du dabei immer wieder abschweifst, dann kannst du auch folgende Köperwahrnehmungsübung machen.

Spüre nacheinander in alle Bereiche deines Körper: Erst in die Finger der linken Hand, dann in den linken Unterarm, den Ellbogen, den Oberarm, die Schulter, danach wechselst du zur anderen Seite und schenkst deine Aufmerksamkeit den Fingern der rechten Hand, dem rechten Unterarm …

Das machst du so lange, bis du den ganzen Körper durch bist. Du wirst sehen, danach bist du wunderbar entspannt und hast ganz andere Gedanken im Kopf.

Ich wünsche dir viel Erfolg dabei, dein Gedankenkarussell zu stoppen. Mit diesen Übungen gelingt es dir sicher.

Einen ähnlichen Artikel allerdings mit dem Schwerpunkt auf das Kind findest du auf dem Federmausblog.

Bleib gesund und gelassen!
Deine Mütterversteherin

>